Mit dem Kranich zurück an die Spitze?
Rund 200 Millionen Fluggäste wurden im Jahr 2016 an deutschen Flughäfen abgefertigt – Tendenz steigend. Doch welche Fluggesellschaften machen eigentlich den Großteil davon unter sich aus? Und wie wird sich der Wegfall der insolventen Air Berlin darauf auswirken? Ein Überblick über Stand und Prognosen des europäischen Flugmarktes.
Lufthansa

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Kein Ereignis des Jahres 2017 wird den europäischen Flugmarkt so sehr und nachhaltig verändern wie die Insolvenz des deutschen Flugriesen Air Berlin – da sind sich die Experten einig. Denn durch den Kauf der Anteile am ehemaligen Konkurrenten könnte der bisherige Zweitplatzierte am europäischen Himmel – die Lufthansa Gruppe – noch in diesem Jahr den Angriff auf den Erstplatzieren, den irischen Billigpreis-Giganten Ryanair, starten. Dabei hatten die Dubliner den deutschen Kranich erst im letzten Jahr übertrumpft.

Die Top 5 am europäischen Himmel

Was im Frachtflugverkehr die bewegten Tonnen Transportmenge, sind im Personenverkehr die beförderten Passagiere das Maß aller Dinge. Alleine knapp 117 Millionen Fluggäste transportierte die irische Fluglinie Ryanair im Jahr 2016 von A nach B. Dabei machte die am Flughafen Dublin beheimatete Airline vor allem mit Niedrigpreis-Kampagnen auf sich aufmerksam. In einer aktuellen Werbekampagne weist der Dumpingpreis-Gigant auf Sensationspreise von 4,99 Euro hin – auch von den deutschen Destinationen Köln, Hamburg und Berlin.

Ryanair

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Mit 117 Millionen Passagieren hatten die Iren den deutschen Flugriesen Lufthansa im Jahr 2016 erstmals in der Rangfolge der größten europäischen Fluggesellschaften überholt. So verwiesen sie den Konkurrenten mit nur knapp 110 Millionen Gästen auf Platz zwei.

Abgeschlagener Platz drei bis fünf

Auf Platz drei kann dahinter die namentlich weniger bekannte „International Airline Group“ mit nur noch knapp 100 Millionen Passagieren aufwarten. Die Holding mit Unternehmenssitz in London ist eher unter den Namen Ihrer Einzelgesellschaften wie „British Airways“ oder „Iberia Express“ bekannt.

Platz vier und fünf belegen mit rund 94 Millionen Fluggästen der französische Zusammenschluss aus „Air France“ und „KLM“, seit 2004 als Holding unter dem Namen „Air France-KLM“ agierend, und weit dahinter mit rund 75 Millionen Passagieren der in Großbritannien und der Schweiz beheimatete Anbieter easyJet, der es neben Ryanair damit als zweiter Billigflug-Anbieter in die Top Fünf schafft.

Im Gegensatz zu den Spartenkollegen aus Dublin verfügt easyJet jedoch europaweit nur über 24 Basen. Die Iren kommen im Gegensatz auf 86 Destinationen, an denen dauerhaft Flieger mit dem Harfen-Logo beheimatet sind.

Dieses extrem stark ausgebaute Ryanair-Streckennetz ist laut führenden Expertenstimmen neben des preisfokussierten Markenauftritts der Hauptgrund für den Erfolg der Fluglinie. Fast alle Destinationen der Dubliner liegen im Bereich der Europäischen Union – und das ganz bewusst. Denn damit profitieren sie von der Liberalisierung des europäischen Binnenmarktes, und somit der vereinfachten Verhandlungsführung mit Flughäfen und anderen Fluggesellschaften, sowie diverser regionaler Subventionstöpfe. Nur vereinzelt fliegt Ryanair außereuropäische Ziele an – unter anderem in Marokko oder der Schweiz.

Passagierzahlen vs. Umsatz

Die Strategie der Konkurrenz könnte da unterschiedlicher kaum sein. Der deutsche Kranich wurde zwar bei den Beförderungszahlen auf Platz zwei verdrängt, hat aber gemessen am erwirtschafteten Umsatz weiter die Nase vorn.

Doch noch in diesem Jahr könnte die Übernahme der insolventen Air Berlin nach Expertenschätzungen die Lufthansa Gruppe auch wieder an die Spitze der Passagierzahlen katapultieren. Mit der Übernahme von 81 Flugzeugen aus der früheren Air Berlin Flotte, will die im DAX gelistete Aktiengesellschaft vor allem ihre Billigflug-Tochter Eurowings stärken. Damit würde die deutsche Fluggesellschaft vor allem im Sektor günstiger Kurzstreckenflüge als gestärkter Gewinner aus der Konsolidierung des Flugmarktes hervorgehen.

EU prüft Lufthansa-Marktmacht

Ob dieser Deal letztendlich zustande kommen wird, hängt aktuell von einer ausstehenden Entscheidung der Europäischen Kommission ab. Diese hatte kurz nach der Bekanntgabe der Übernahmewünsche der Lufthansa ein Prüfungsverfahren angestrengt. Denn: Durch die Übernahme der Air Berlin Flotte und des Streckennetzes wäre die Marktmacht der Lufthansa Gruppe – so die Vermutung führender Luftverkehrsexperten – so groß, dass auf bestimmten Strecken kein ausreichender Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern mehr stattfinden könnte. Dies führe mittelfristig zu erhöhten Preisen für den Endverbraucher.

AirBerlin

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Noch in diesem Jahr, am 7. Dezember, sollen die Prüfer der Europäischen Kommission eine Entscheidung zur Freigabe des Geschäftes abgeben. Eine mögliche Verlängerung der Prüfung könnte sich jedoch noch bis ins Frühjahr 2018 ziehen. Für die Lufthansa steht fest: je früher die Freigabe der EU-Beamten erfolgt, desto eher kann sich der Kranich auf die Rückeroberung der Spitzenposition am europäischen Himmel stürzen.